Am heutigen FemFriday stelle ich Euch meine ehemalige Kollegin und Freundin Sophie Oldenstein vor.
Sophie ist Dramaturgin und darin ein ganz wichtiger Teil unserer gemeinsamen Arbeit z.B. in Eisenach gewesen.
Was Sophie über Fempowerment denkt, wie sie Dramaturgin wurde und was sie über die Frauenquote denkt, erfahrt ihr hier.
Sophie Oldenstein (*1988) schloss 2012 ihr Studium der Theaterwissenschaft, Filmwissenschaft und evangelische Theologie in Mainz mit Auszeichnung ab. Parallel dazu hospitierte und assistierte sie an verschiedenen Theatern in Frankfurt, Wiesbaden und Köln und betreute erste eigene Produktionen als Dramaturgin.
Ihre ersten festen Engagements führten sie als Regieassistentin ans Nordharzer Städtebundtheater und das Hessischen Staatstheater Wiesbaden. Von 2014 bis 2017 war sie Dramaturgin und Theaterpädagogin am Landestheater Eisenach engagiert, wo sie die Eisenacher Bürgerbühne gründete und zahlreiche Produktionen mit generationenübergreifenden Ensembles realisierte. Im Anschluss daran leitete sie am Theater Ansbach die dramaturgische Abteilung und ist dort außerdem Referentin für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit. Mit Beginn der Spielzeit 2019/20 wechselt sie als Dramaturgin für Schauspiel und Puppentheater an die Theater&Philharmonie Thüringen in Gera und Altenburg.
Im Rahmen ihrer Dissertation über Zauberkunst und die Konstitution der Moderne, die sie 2018 an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz eingereicht hat, verbrachte sie als Stipendiatin des Deutschen Akademischen Austauschdienstes Forschungsaufenthalte in Wien und Washington D.C. Von 2008 bis 2013 war sie Mitarbeiterin bei „FILMZ – Festival des deutschen Kinos“ in Mainz und gehörte 2011 dessen künstlerischer Gesamtleitung an. Während ihres Studiums arbeitete sie fünf Jahre als freie Mitarbeiterin für die Tageszeitung „Rüsselsheimer Echo“ und leitete drei Jahre lang die Theatergruppen der Werkstätten für Menschen mit Behinderungen in Mainz.
Wie kamst Du zum Beruf Dramaturgin?
Ich wollte schon sehr früh ans Theater. Ursprünglich wollte ich Regisseurin werden. Allerdings haben mir schon bald viele Menschen, die mich und die Arbeit am Theater kannten, gesagt, ich sei eine Dramaturgin. Das wollte ich damals alles nicht hören, weil ich dachte, das sei sehr weit weg vom eigentlichen künstlerischen Schaffensprozess und allgemein eher tröge. Als ich dann in meinem ersten Engagement als Dramaturgin gelandet bin, habe ich schnell festgestellt, dass die anderen alle Recht hatten und der Job wie für mich gemacht ist. Inzwischen weiß ich das vielfältige Aufgabengebiet dramaturgischer Arbeit und den Überblick über die Gesamtheit eines Hauses, den man in dieser Position gewinnt, sehr zu schätzen und kann mir keinen anderen Beruf mehr vorstellen.
An welchen Moment in deiner Karriere erinnerst Du dich besonders gut?
Während meiner ersten Hospitanz kurz nach dem Abitur sagte der Regisseur der Produktion zu mir: „Sophie, überleg es Dir gut, am Theater wird man nicht reich.“ Und ich erwiderte voller jugendlichem Idealismus: „Ja, aber deswegen macht man das doch nicht.“ Daraufhin entgegnete er: „Ja, aber am Theater wird man auch nicht berühmt“. Ich kann also nicht behaupten, dass ich nicht wusste, worauf ich mich einlasse.
Empfindest Du ein Ungleichgewicht am Theater was die Geschlechterbesetzung angeht?
Natürlich. Der Großteil der Intendanten und Regisseure sind nach wie vor Männer, die meisten Ensembles bestehen aus mehr Schauspielern als Schauspielerinnen und es werden wesentlich häufiger Texte von männlichen Autoren als von ihren weiblichen Kolleginnen gespielt.
Sind Frauen die besseren Dramaturgen?
Da stellt sich doch direkt die Frage, was genau ein guter Dramaturg überhaupt sein soll. Grundsätzlich gehört für mich zu dem Job in jedem Fall viel Empathie, eine gute Beobachtungsgabe und der Wille, sich ganz in den Dienst der Sache zu stellen. Und Männer sind für diese Eigenschaften ja hinlänglich bekannt.
Was macht für dich Fempowerment heute aus?
Es stößt den wirklich wichtigen gesellschaftlichen Diskurs über Genderequality neu an. Es wird Zeit, dass wir darüber wirklich diskutieren, anstatt die Behauptung aufrechtzuerhalten, dass die Gleichberechtigung schon lange erreicht sei.
Was würdest Du am Theater gern sofort ändern?
Faire Löhne, Arbeitsbedingungen und Arbeitszeiten für alle Mitarbeiter – von den Künstlern über die technischen Gewerken bis hin zur Verwaltung.
In welchen Momenten deines Jobs wärst Du lieber ein Mann?
Jedes Mal, wenn mich irgendein Selbstzweifel anficht. Ich denke, Männer stellen sich selbst viel weniger infrage als Frauen.
Wenn die Frauenquote etwas bewirkt dann…
bitte beende diesen Satz
Ökonomische Gleichberechtigung. Gendersternchen hin oder her – Es geht bei der Gleichstellung doch im Endeffekt um knallharte wirtschaftliche Fragen. Es kann nicht sein, dass im 21. Jahrhundert Frauen immer noch so bezahlt und beschäftigt werden, als würden sie nur zum Spaß arbeiten, weil die wirtschaftlich relevantere Karriere ihres Ehemanns sowieso das Familieneinkommen absichert.
Was können wir Frauen tun, damit sich die Wahrnehmung auf unser Geschlecht am Arbeitsmarkt ändert?
Wir müssen mehr für uns einfordern. Egal, ob es um ein spannendes Projekt, eine Gagenerhöhung oder Anerkennung für die eigenen Leistungen geht – man muss Lärm machen, um gehört und gesehen zu werden, und darf nicht darauf warten, dass endlich mal jemand bemerkt, was man kann und erreicht hat. Und wir sollten mehr auf unsere eigenen Karrieretipps hören – das gilt zumindest für mich.

Beschreibe Dich in drei Worten:
Und weiter geht’s!
Was liest Du derzeit
„Serotonin“ von Michel Houellebecq. Wer sonst könnte abnehmende männliche Libido mit dem Niedergang der französischen Landwirtschaft in einem Roman zusammenbringen?
Hast Du ein Lieblingszitat, aus einem Stück, oder eins, dass Dich schon länger begleitet und wenn ja welches ist das?
„Es sind nicht alle frei, die ihrer Ketten spotten“ aus Lessings „Nathan der Weise“. Im Stückkontext ist damit gemeint, dass wir uns von bestimmten Dingen, wie etwa unserer Sozialisation, nicht frei machen können, egal, wie viele dumme Sprüche wir darüber machen. Es ist aber sehr vielfältig einsetzbar. Ich zitiere es besonders gerne, wenn jemand ausgiebig jammert und sich beklagt, aber keinerlei Anstalten macht, etwas an der Situation zu ändern. Das begegnet einem als Dramaturgin häufiger.
Beitragsbild: Sabine Röße
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