#kulturblogging: WOZZECK in Frankfurt

Von Kindheitserinnerungen, einer Endlosschleife und der wunderbaren Claudia Mahnke.
In meinem #kulturblogging-Beitrag über Alban Bergs WOZZECK entführe ich Euch in eine eindrucksvolle Inszenierung von Christoph Loy an der Oper Frankfurt.

Meine ersten Schritte auf einer Bühne machte ich mit neun Jahren am Staatstheater Darmstadt. Ein Zeitungsaufruf brachte mich zum Vorsingen im hiesigen Kinderchor. Im Keller, klassisch für Probebühnen und Chorsäle, sang ich mit vielen anderen Kindern beim damaligen Chorleiter vor.
Es folgten aufregende Jahre im Kinderchor des Staatstheaters Darmstadt.
Von Hänsel und Gretel, Die Frau ohne Schatten bis zur Rockoper oder Sinfoniekonzerten, ich stand in zahlreichen Produktionen auf der Bühne. Eine wichtige Oper, ein Schlüsselerlebnis, war für mich Wozzeck von Alban Berg.
Damals sang ich im Kinderchor und spielte einige Male den Knaben, den Sohn Maries. Seitdem begegnete mir dieses Stück Operngeschichte immer wieder: Ich hospitierte 2006 bei Calixto Bieito an der Staatsoper Hannover, hörte einige Vorlesungen an der Uni dazu und habe seitdem bestimmt fünf verschiedene Inszenierungen gesehen.

Das Werk hat eine eigene Kraft. Die Aktualität und die Möglichkeit der Identifikation mit den einfach gehaltenen Figuren, stellt für mich die Faszination dar. Ebenso der Versuch des satirischen Blicks auf einen Proletarier, der im Hamsterrad des Lebens in straucheln gerät. Uns allen wohlbekannt.

Inhalt
Wozzeck- eine Oper in drei Akten mit 15 Szenen von Alban Berg. Das Libretto beruht auf dem deutschsprachigen Dramenfragment Woyzeck von Georg Büchner
Der Soldat Franz Wozzeck lebt am untersten Ende der sozialen Hierarchie; nur seine Geliebte Marie und sein Kind sind ihm Halt. Aber er wird von seinen Vorgesetzten als Versuchsobjekt für medizinische Experimente missbraucht, seine Geliebte wird von einem Tambourmajor verführt, und er wird so gedemütigt, dass er seine Geliebte Marie ermordet.

Foto: Barbara Aumüller

Wozzeck gehört zu den meistgespielten Opern des 20. Jahrhunderts. Sie geht zurück auf Georg Büchners Schauspiel Woyzeck, das nur als Fragment überliefert wurde.
Alban Berg schrieb das Libretto selbst und formte ein streng gebautes Drama, das sich unaufhaltsam auf eine Katastrophe zubewegt: Wozzeck tötet Marie, die ihm untreu war und er ertrinkt bei der Suche seiner Tatwaffe im Schilf.

„Jeder Mensch ist ein Abgrund- mich schaudert, wenn ich hinunter schau“

Wozzeck, Alban Berg

Das Werk Bergs steckt voller musikalischer Facetten. Ohne Ouvertüre steigen wir direkt in die Szenerie. Wozzecks einfaches Leben, bestimmt durch Arbeit und fehlende Selbstbestimmung. Die Darstellung der Stereotypen eines Dramas werden hier auch musikalisch klar gezeichnet. Hauptmann, Doktor, Tambourmajor haben keine Namen, sind Titel und Begegnungen.

Getrieben von Existenznöten und einer unbändigen Angst, gejagt von, sich an seinem Leid ergötzenden Mitmenschen, hetzt Wozzeck einsam durch die Welt und seinem Leben hinterher. Bis er es nicht mehr aushält und sich und seine Geliebte von allem erlöst.

Foto: Barbara Aumüller

Die Oper Frankfurt setzt auf starke klare Bilder. Regisseur Christof Loy zeigt die Figuren, vor allem Wozzeck pur, weg von der Armut, weg von einer überzeichneten Darstellung durch geknechtete Figuren und immer aufbäumendem Frust. Wir sehen ein Innenleben, eine kämpfende Seele, einen verwirrten Wozzeck. Er funktioniert nicht mehr, kann sich nicht mehr einordnen. Er verliert im wahrsten Sinne, den Kopf.

„In der existenziellen Deutung zeigt Berg die transzendentrale Obdachlosigkeit Wozzecks, seine Verlorenheit in einer Wahnsinnswelt. Die Verlassenheit eines Menschen auf dieser Erde“

Norbert Abels, Chefdramaturg der Oper Frankfurt

Marie, hier gesungen und präzise gespielt von der zauberhaften Claudia Mahnke, versucht es noch ihren Partner, Freund und Weggefährten Wozzeck ( stimmlich und darstellerisch unheimlich stark Audun Iversern) zu erreichen. Sie scheitert.
So gibt sie sich einem irdischen, greifbaren, lebendigem Mann hin.

Foto: Barbara Aumüller

Die Bühne engt ein

Die Bühnenräume von Herbert Murauer werden immer enger. Die Wände bewegen sich langsam, manchmal kaum merklich, auf Wozzeck zu. Seine Welt droht ihn zu erdrücken. Umso anschaulicher, am Schluss, kurz vorm Mord an seiner Marie, ist die Bühne weit geöffnet, unser Blick frei auf ein dichtes Schilfgebilde, dass fast wie Scherenschnitt, ein Schattenspiel beleuchtet auf uns wirkt. Nach dem Tod, am Ende der Oper hören wir eine der eindrücklichsten und stärksten Trauermusiken der Operngeschichte.

Nach dem Tod von Marie steigert sich das Orchester in zwei fast unerträgliche Fortissimo-Akkorde, als Kontrast folgt ein Solo-Klavier in einer Bar, wohin sich Wozzeck in seiner Verzweiflung flüchtet“

Wilhelm Roth, 70 Jahre Oper

Nicht umsonst wurde die Oper Frankfurt zum vierten Mal zum Opernhaus des Jahre (Nenneung durch das Opernmagazin Opernwelt) ernannt.
Man erlebt hier herausragende Stimmen, innovative Inszenierungen und ein ausgewähltes Programm aus zeitgenössischer Musiktheaterkunst und den altbewährten, wichtigen Stoffen auf den Opernbrettern, die die Welt bedeuten. Der Ausflug nach Frankfurt lohnt sich immer!!!

Fotos: Oper Frankfurt / Barbara Aumüller

*Werbung gekennzeichnet/ Kooperation mit Oper Frankfurt

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