Ich beginne das neue Jahr hier auf diesem Onlinespielplatz mit einer Frau, die mich im Jahr 2022 beeindruckt, inspiriert und begeistert hat. Ich wurde durch ihre Kolumne in der VOGUE Germany aufmerksam als sie über das Phänomen „Tussi“ einen irrsinnig schlauen und ebenso komischen Text verfasste: Die subversive Kraft der Tussi, oder: In Barbiecore gegen das Patriarchat.
Hab ich extrem gemocht! Nachdem ich ihre letzten beiden Bücher SPITZENREITERINNEN und ENJOY SCHATZ verschlungen und mich etwas mit ihr auf Instagram angefreundet habe, lag es nahe sie um ein Interview zu bitten. Et voilà – darf ich vorstellen: die fabelhafte JOVANA REISINGER.
JOVANA REISINGER (*1989) HAT IN MÜNCHEN UND KOPENHAGEN KOMMUNIKATIONSDESIGN, DREHBUCH UND DOKUMENTARFILMREGIE STUDIERT UND ARBEITET ALS AUTORIN, REGISSEURIN UND BILDENDE KÜNSTLERIN. SIE HAT DIVERSE KURZFILME GEDREHT, DIE INTERNATIONAL AUSGESTELLT UND GEZEIGT WURDEN. IHR DEBÜTROMAN „STILL HALTEN“ ERSCHIEN 2017 BEIM VERBRECHER VERLAG, WO AUCH IHR ZWEITER ROMAN „SPITZENREITERINNEN“ 2021 ERSCHIEN. IHR ESSAY-ROMAN „ENJOY SCHATZ“ WURDE SOEBEN IM KORBINIAN VERLAG VERÖFFENTLICHT. DERZEIT ARBEITET SIE AN IHREM ERSTEN LANGSPIELFILM, DER DRAMATISIERUNG VON SPITZENREITERINNEN UND IHREM ERSTEN EIGENEN THEATERSTÜCK, SOWIE EINEM SACHBUCH. SIE IST KOLUMNISTIN FÜR VOGUE GERMANY UND SCHREIBT ÜBER MENSTRUATION.

Wie kamst Du zu deinem Beruf als Autorin?
Tatsächlich studierte ich als erstes Kommunikationsdesign und wollte Bücher und Magazine gestalten. Daraus ergab sich dann beinah zufällig die Hingabe ans Schreiben. Meine Bachelorarbeit war die erste Fassung meines Debütromans. Fürchterlich schlecht und schwülstig, aber Grundstein legend. Im Anschluss studierte ich Drehbuch und Dokumentarfilmregie, diese zehn Jahre an der Filmhochschule haben mein Denken und Schreiben nachhaltig verändert und geprägt und in den ersten beiden Studienjahren entstand der Debütroman. Dann gab es kein zurück mehr.
Was würdest Du Berufseinsteigerinnen mit auf den Weg geben?
Durchhaltevermögen. Vernetzung. Streitlust. Der Austausch ist wichtig. Auch über persönliche und finanzielle Dinge. Die Frage danach, mit wem ich mich vergleiche. Aus welchen Verhältnissen kommen die, aus welchen stamme ich? Die Frage danach was bezahlt wird (auch bei anderen), ist die Frage nach Transparenz. Ich wünsche ihnen wenig bis keinen Neid, keine Eifersucht und keine missverstandene Form von entitlement.
Sind Frauen die besseren Autor*innen?
Hahaha, warum sollten sie es sein? Frauen können genauso miese oder grandiose Texte wie jedes andere Geschlecht schreiben.
Wenn Du ein Buch einem Wochentag zuordnen müsstest, wie sähe deine Woche in Büchern aus?
Montag: Mumins von Tove Janson
Dienstag: Der Geliebte von Angelika Schrobsdorff
Mittwoch: Lügen über meine Mutter von Daniela Dröscher und Wie man mit einem Mann unglücklich wird von Ruth Herzberg
Donnerstag: Das Archiv der Träume von Carmen Maria Machado
Freitag: Reverse Cowgirl von MacKenzie Wark
Samstag: Otto von Dana von Suffrin und Toni und Moni von Petra Piuk
Sonntag: How do you like me now von Holly Bourne
Beschreibe Dich in drei Worten…
sexy, juicy, cute

Was macht für Dich gute Literatur aus?
Ich liebe Literatur die im besten Fall sperrig ist – ob in ihrer Form, in ihrer Dramaturgie oder in ihrer Themenwahl. Ich benötige nicht alle paar Seiten handlungsantreibenden Plottwists, ich springe auf ganz andere Dinge an. Perspektiven, Haltungen und ne bestimmte, oftmals gemeine, hinterhältige, entlarvende und (sich selbst) überführende Tonalität. Trotziges, wirres, in sich schlüssiges. Auch bei Filmen liebe ich meist die, die mit einfachen Mitteln erzählen und sich deren Wirkmacht bewusst sind.
Bester erster Satz (in einem Buch)?
„Doris träumte, das Institut macht eine Dampferfahrt.“ aus Entmannung von Christa Reinig.
Was würdest Du an der Literaturbranche gern sofort ändern?
Rezeptions- und Kritiklogik. Vermarktungsstrategien und -strukturen. Verwertungsmechanismen. Hat alles was mit dem Kapitalismus zu tun und mit dem bittersüßen Leitsatz: wer hat, dem wird gegeben.
In welchen Momenten deines Jobs, wärst Du lieber ein Mann?
Ich wäre ehrlich gesagt nie lieber ein Mann.
Wenn die Frauenquote etwas bewirkt dann… (bitte beende diesen Satz)
Gleichberechtigung und Unabhängigkeit.
Dein Lieblingsbuch ist?
Das Konzept Lieblingsbuch habe ich aufgegeben. Wenn ich all die Bücherstapel bei mir zu Hause betrachte, bin ich ganz ehrlich sehr glücklich. Spitzentitel darunter sind: Play it as it lays von Joan Didion, Ein Zuhause schaffen von Tice Cin, Nan Goldins Bildbände, Generation Wealth von Lauren Greenfield, The Movement of Clouds around Mount Fuji von Masano Abe, Heilig Blut von Gisela Elsner, Flammenwand von Marlene Streeruwitz, Die Wand von Marlen Haushofer, Heißt Lieben von Margit Schreiner, Sex and Rage von Eve Babitz und alle aus der Wochenaufzählung.
Was liest Du derzeit?
Auf See von Theresia Enzensberger, Die Wut die bleibt von Mareike Fallwickl, 50 ways to leave your Ehemann von Jacinta Nandi und Acts of Service von Lillian Fishman.
Wer mehr über Jovanas Arbeit, Lieben und Leben erfahren möchte, liest ihre Bücher und folgt ihr auf Instagram. Ich empfehle das wärmstens und bin Fan 🙂



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