JUDITH POZNAN wurde 1986 in Berlin-Lichtenberg geboren. Nach ihrer Ausbildung zur Buchhändlerin studierte sie an der Freien Universität Berlin Literaturwissenschaften und Publizistik. Sie schreibt regelmäßig für das ELTERN-MAGAZIN, die BERLINER ZEITUNG, DIE ZEIT und SPIEGEL ONLINE. Mit ihrem Instagram-Account @judith_poznan erreicht sie täglich Tausende Follower. Die Mischung aus dem Leben einer Autorin, Mutter und Frau die, die kleinen und großen Krisen mit viel Witz und Charme meistert, fühlt sich erfrischend vertraut und herrlich normal an. Absolute Folge-Empfehlung!
Wie kamst Du zum Beruf Autorin?
Ich schrieb Texte erst nur für mich, angefangen als Jugendliche in meinem Zimmer mit Einbauschränken aus Pressspan und Leonardo-DiCaprio-Poster an der Wand. Größtenteils schrieb ich über Dinge, für die ich mich schämte. Irgendwann mit Ende 20 stellte ich dann so einen Text ins Internet, weil ich mit meiner Scham nicht mehr allein sein wollte. Als mir eine Leserin antwortete, es ginge ihr genauso, fühlte sich das wie ein Befreiungsschlag an.
Plötzlich hat das Schreiben sehr viel mehr Sinn gemacht.
An welchen Moment in deiner Karriere erinnerst Du dich besonders gut?
Ein Moment vor sechs Jahren. Als die erste Absage von einem Lektor kam, mit dem ich ein paar Tage vorher in einem Restaurant saß, ihm bei einem Glas Apfelschorle mit zittriger Stimme erklärte, es wäre doch super, wenn ich einen Roman schreiben würde. Anschließend schickte ich ihm, was ich hatte. Die Absage kam und das Leben war schlecht. Eine Woche später öffnete ich die Mail erneut und las noch einmal aufmerksam seine Begründung. Darüber was fehlte, was es brauchte, er hatte mit allem Recht. Aber immerhin, da stand nicht, ich soll es sein lassen. Wie ich mich daran klammern konnte, ist für mich heute unfassbar.
Empfindest Du ein Ungleichgewicht in der Medienbranche, was die Geschlechterbesetzung angeht?
Es werden deutlich mehr Männer gelesen als Frauen. Mir hat mal eine Buchhändlerin dazu gesagt, ich soll zu Hause alle Bücher männlicher Autoren im Regal ein Stück nach hinten schieben. Ich musste mir dieses Ungleichgewicht klar machen, also schob ich, von Böll bis Wallace, alle nach hinten und konnte mit eigenen Augen sehen, wie wenig Bücher in meinem eigenen Regal vorne übrig blieben, die von Frauen geschrieben worden sind. Ich kaufe seitdem sehr viel mehr Bücher von Frauen.
Wie sieht dein Schreib-Alltag aus?
Zunächst mal setzt das Schreiben bei mir ein Ereignis oder eine Erinnerung voraus. Ich erlebe oder erinnere etwas und spüre den Impuls, es in eine Form zu bringen. Dieses Dickicht aus Gefühlen, Gerüchen, Klängen und wie der Himmel dabei ausgesehen hat, muss in Ordnung gebracht werden. Ich habe schon oft das Auto rechts rangefahren und schnell diesen Impuls in mein Handy getippt. Zuhause mache ich aus diesen Notizen, die dann auf einmal nur noch störrische Fetzen sind, eine Geschichte. Ich merke, wie ich eine völlig neue Perspektive auf das Geschehene bekomme, dabei liege ich im Bett und rauche E-Zigarette. Meistens, während mein Sohn in der Kita ist. Nebenbei google ich sehr viel quatsch.

In welchen Momenten deines Jobs, wärst Du lieber ein Mann?
Ein Mann nie, aber ab und zu wäre ich gerne ein Pandabär. Die fallen ständig um, aber kommen irgendwie in der Natur damit durch.
Wenn die Frauenquote etwas bewirkt dann… bitte beende diesen Satz!
…ganz sicher mehr Gerechtigkeit.
In deinem Buch geht es auch um das Modell Familie. Wie sehr hat deine eigene Familie Dich geprägt, sich an klassischen Bildern zu orientieren?
Mittlerweile habe ich ganz gut verstanden, in welchem Zusammenhang ich stecke. Eltern, die sich geliebt haben, die gemeinsam durch Krisen und Jubel marschiert sind, rechts an der Hand lief das eine Kind, links das andere. Mein Vater hat mal zu mir gesagt: Die besten Jahre mit meiner Mutter waren immer die, wenn sie kein Geld hatten. Ich glaube, sie waren in ihrer schwersten Zeit einander tröstlich. Das hat Eindruck bei mir hinterlassen. Nach 30 Jahren haben sich meine Eltern schließlich getrennt. Komische Sache war das.
Wie läuft es bei Euch mit der Vereinbarkeit von Familie und Beruf?
Ein Bus voller Privilegien fährt uns im Alltag von Haltestelle zu Haltestelle.
Würdest Du sagen, dass Du deinen Sohn bewusst „feministisch“ erziehst?
Im Sinne einer Unterrichtsstunde wahrscheinlich nicht. Aber zumindest hoffe ich, dass ich ihm da was vorleben kann.
Bist Du eher grün oder blau?
Gelb gerne, allerdings wenn ich mich für den Rest meines Lebens entscheiden müsste, ob ich nur noch blaue oder grüne Kleider trage, was ja durchaus frech wäre von jemandem zu verlangen nur noch eine Farbe zu tragen, aber müsste ich, dann würde ich blau wählen, obwohl mir grün eigentlich besser steht.
Beschreibe Dich in drei Worten.
Ich mache mal zwei, ja? Spotify hat mir bei seinem großen Jahresrückblick nämlich gesagt, meine Audio-Aura sei fröhlich und traurig. So kann man doch gut durchs Leben gehen.



Was liest Du derzeit?
Morgens Deniz Ohde „Streulicht“ und abends höre ich Thomas Pletzinger „The Great Nowitzki“, davor lese ich meinem Sohn, wenn er bei mir ist, die Abenteuer von Zilly und Zingaro vor. Zwischendurch blätter ich mal in Patricia Highsmiths Tagebüchern und Notizen. Aber keine Sorge, ich gehe auch an die frische Luft!
Um mehr über Judith zu erfahren, folgt auch ihrem Blog. Seit kurzem schreibt Judith einen regelmäßigen Newsletter mit dem Titel Kulturspalte – es lohnt sich.
Beitragsbild: (c) drwaumiau
Kommentar verfassen