Im heutigen Interview teilt die Theaterregisseurin Brit Bartkowiak mit uns ihre Antworten.
Geboren 1980, studierte Brit Germanistik und Theaterwissenschaft in Mainz und in Wellington/New Zealand. 2006 Studium der Schauspieltheaterregie an der Hochschule für Musik und Theater in Hamburg. Von 2009 bis 2013 arbeitete sie als Regieassistentin am Deutschen Theater Berlin, u.a. mit Dimiter Gotscheff, Nicolas Stemann, Stefan Pucher, Stephan Kimmig und Tom Kühnel/Jürgen Kuttner.
Am Deutschen Theater Berlin inszenierte sie u.a. die Uraufführung von Muttersprache Mameloschn von Sasha Marianna Salzmann. Die Produktion war für den Preis der Mülheimer Theatertage 2013 nominiert und gewann den Publikumspreis.
2013 erreichte sie in der jährlichen Kritikerumfrage von der Fachzeitschrift Theater heute Platz zwei in der Kategorie Nachwuchsregisseur.
Ihre Arbeiten wurden sowohl im deutschsprachigen als auch im europäischen Raum zu namenhaften Festivals und Gastspielen eingeladen: Neue Stücke aus Europa, Theaterbiennale Wiesbaden, Sibiu, Dresden, Bratislava, Luxemburg, Prager Theaterfestival deutscher Sprache, Mülheimer Theatertage Stücke, Heidelberger Stückemarkt, Bayrische Theatertage, Festival The Art of Ageing Temeswar, Schauspielschultreffen Wien.
Brit Bartkowiak arbeitet als Regisseurin u.a. am Deutschen Theater Berlin, am Slowakischen Nationaltheater Bratislava, am Düsseldorfer Schauspielhaus, am Staatstheater Mainz, am Volkstheater München, am Theater und Orchester Heidelberg, am Deutschen Theater Göttingen, am Stadttheater Ingolstadt und am Schauspiel Hannover.
Wie kamst Du zum Beruf Regisseurin?
Ich bin eher durch Umwege zum Job der Regisseurin gekommen. Zu Beginn meines Studiums der Theaterwissenschaft und Literatur war ich mehr im Kulturmanagement und der Dramaturgie zu Hause. Ich habe Festivals organisiert und bei Stadtraumprojekten mitgewirkt. Erst durch einen Auslandsaufenthalt in Neuseeland bei dem wir vermehrt praktisch arbeiten durften ist das Berufsfeld der Regie in den Fokus gerückt.
An welchen Moment in deiner Karriere erinnerst Du dich besonders gut?
Es gibt nicht den einen Moment. Es gab viele wichtige Begegnungen, Situationen, Stationen oder Produktionen: mein erstes Weihnachtsmärchen als Sechsjährige; im Jugendclub des Staatstheater Mainz auf der Bühne stehen; „Emilia Galotti“ von Thalheimer erleben; der Anruf, dass ich an der Theaterakademie in HH aufgenommen wurde; den Rundhorizont des Deutschen Theaters Berlin live berühren und an Max Reinhardt denken; der Mülheimer Publikumspreis für „Muttersprache Mameloschn“; die Nennung zur zweitbesten Nachwuchsregisseurin des Jahres…usw. Aber wenn ich darüber nachdenke welche Begegnung wirklich prägend war, dann würde ich mich doch für die Zusammenarbeit mit Dimiter Gotscheff entscheiden. Das war wichtig.
Empfindest Du ein Ungleichgewicht am Theater was die Geschlechterbesetzung angeht?
Absolut: Nur circa 30 Prozent aller Inszenierungen an Theatern im deutschsprachigen Raum werden von Regisseurinnen inszeniert. Das ist zu wenig. Bei den Intendantinnen sind es nur etwa 20 Prozent. Da gilt es einiges nachzuholen. Vielleicht wäre die Quote vorerst das richtigste Instrument.
Sind Frauen die besseren Regisseure?
Ich finde, dass das die falsche Frage ist. Die Qualität einer Regisseurin oder eines Regisseurs hat nichts mit ihrem oder seinem Geschlecht zu tun. Bislang haben Männer viel mehr Möglichkeiten bekommen ihr Können unter Beweis zu stellen und auch scheitern zu dürfen. Das sollten sie uns Frauen auch zugestehen.
Was macht für dich Fempowerment heute aus?
Wir Frauen müssen aktiver werden, selbstbewusster, lauter, mehr Fordern und uns vor allem mehr zutrauen. Oft entgehen uns gute Chancen, weil wir uns selbst unterschätzen und uns gar nicht erst den Herausforderungen stellen. Auch sollten wir uns mehr gegenseitig unterstützen, statt uns als Konkurrentinnen zu betrachten. Da sind uns die Männer seit Jahrhunderten voraus. Ich hoffe sehr, dass die Tendenz der Frauen-Netzwerke und Frauenförderung nicht nur eine Modeerscheinung ist sondern der Anfang eines Umdenkens. Das würde zum Beispiel auch bedeuten gängige Strukturen zu überprüfen und beispielsweise an der Vereinbarkeit von Theater und Familie zu arbeiten.
Was würdest Du am Theater gern sofort ändern?
Gleiche und fairere Bezahlung für alle!
Gleiche Chancen für alle: Gebt Regisseurinnen endlich auch die großen Stoffe, die Produktionen mit mehr Etat und die großen Bühnen!
Flachere Hierarchien!
Mehr Intendantinnen! Mehr Entscheidungsträgerinnen!
In welchen Momenten deines Jobs wärst Du lieber ein Mann?
Nie. Obwohl…momentan noch bei den Vertragsverhandlungen. Da wäre es doch sehr vorteilhaft. Wenn Frauen mehr Geld fordern werden sie schnell als Zicken und Furien abgestempelt und manchmal sogar für ihre Forderungen abgestraft. Wenn ein Mann mehr Geld fordert, gilt das gemeinhin als Willensstark und Durchsetzungsfähig.
Das sollte man mal überdenken.
Was können wir Frauen tun, damit sich die Wahrnehmung auf unser Geschlecht am Arbeitsmarkt ändert?
Selbstbewusster und lauter werden ohne aber die männliche Performances zu übernehmen. Wir sollten unsere eigene Sprache entwickeln.
Beschreibe Dich in drei Worten!
Das sollten eigentlich andere tun, aber ich versuch es mal:
gerechtigkeitsliebend, neugierig hinterfragend, emphatisch und loyal.
Upps. Sind vier geworden.
Was liest Du derzeit?
„Ökonomie der Ungleichheit: Eine Einführung“ von Thomas Piktet
Hast Du ein Lieblingsstück oder eins, das du unbedingt mal machen möchtest?
Es sind eher Themen die mich umtreiben. Die soziale Ungleichheit, das Infragestellen unserer demokratischen Grundordnung, das Erstarken der rechten Kräfte – all das sind Fragen, die mich gerade beschäftigen und beunruhigen. Und aufgrund dessen suche ich nach Theatertexten, mit denen ich mich dem Thema nähern möchte.
Das kann dann ein zeitgenösschicher Text sein wie Björn Bickers „Das letzte Parlament“ am Staatstheater in Mainz oder aber Falladas „Kleiner Mann was nun“, was im kommenden Jahr in Ingolstadt Premiere haben wird. Generell glaube ich an die Kraft des Geschichtenerzählens und natürlich gibt es Texte und Figuren, zu denen ich eine besondere Bindung habe, die mich anrühren: Horvarth wäre beispielsweise so ein Autor. Oder auch Tschechow.
Wer mehr über Brits Arbeit erfahren möchte, findet sie auf der Seite ihrer Agentur oder ihrer Homepage.
Foto: Privat
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