Nikeläuschen Zippeläuschen!

Hier gibts mal wieder eine neue Zauberinnen-Kolumne

Die Zeit rennt und obwohl ich schon seit über einem halben Jahr nicht mehr in Eisenach lebe, mich aus dem ZAUBERER VON OST verabschiedet habe, ist mir eins geblieben:
Die ZAUBERINNEN-KOLUMNE der Thüringer Allgemeinen Zeitung.

Vom Grusel-Nikolaus und einer alten Tradition

Wie Zauberin Helene vergeblich vom Barbie-Ferrari träumte und zu Nikolaus mit einer Gruselversion für immer vom Konsum geheilt wurde.

Wenn ich an meine ersten Nikolaus-Erinnerungen denke, fällt mir ein besonderes Erlebnis ein. Ein Erlebnis der dritten Art, könnte man es auch nennen.

Ich war sechs Jahre alt – meine Schwester ungefähr drei. Wie viele Familien mit Kindern, taten wir uns mit Nachbarn und Freunden zusammen, um Nikolaus gemeinsam zu feiern.

Klassisch mit Gedichten, Liedern und dem Auftritt des lustigen Kerls mit Rauschebart. Allerdings nahmen es meine Eltern da besonders ernst, uns Kindern das fürchten zu lernen.

In meiner Vorstellung würde der rotgekleidete Opi mit Bart und Mütze auftauchen, und viele Geschenke verteilen. Ich schielte mit kindlicher Hoffnung nach dem roten Barbie-Ferrari. Pah!

Statt der romantisch verklärten Figur stand ein Dickbäuchiger in beiger Jacke und Wollmütze vor der Tür, der mit verstellter Stimme uns Kinder ins Wohnzimmer scheuchte. Kein Hermelinmantel, kein mildes Lächeln. Kein Barbie-Ferrari.

Hinter dem beigen Nikolaus kauerte ein fauchendes Wesen in schwarzer Jacke. Über dem Gesicht eine dunkle Perlonstrumpfhose mit Zipfel auf dem Kopf. Die humpelnde Gestalt war Krampus. Bis dahin war mir nicht bewusst, dass der heilige Nikolaus einen teufelsähnlichen Begleiter hatte, der die Kinder tadelte und vor ihnen wie Rumpelstilzchen herumsprang.

Wir kauerten voller Angst auf dem Schoß unseres Vaters und wagten kaum zu atmen.

Der Nikolaus fragte Gedichte ab. Einige Kinder mit etwas mehr Mut sagten brav ein Sätzchen auf, um zwei Nüsse, eine olle Mandarine und ‘nen feuchten Händedruck zu bekommen.

Währenddessen krabbelte Krampus bedrohlich durch die Reihen. Hämisch grinsend und fluchend. Meine Schwester mittlerweile wie gelähmt, schluchzte nur noch leise in die Schulter meines Vaters. Ob ich dem Nikolaus noch ein Gedicht aufgesagt habe, erinnere ich nicht mehr. Ich erinnere mich aber daran, dass meine Eltern irgendwann aufklärten, wer damals den Krampus „geboten“ hat.

Tatsächlich war das meine eigene Mutter, die eine diebische Freude dabei empfand, uns ein wenig von der kommerziell geführten Begehung des Nikolaustages abzubringen.

Seitdem singe ich am 6. Nikolaus das Lied von Frederik Vahle: „Nikeläuschen Zipeläuschen komm doch her zu mir. Ich pack dich an der Zipfelmütz und schmeiß dich vor die Tür!“

Marie Helene Anschütz / 07.12.17

 

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