Von Assistentinnen, der Erfolgsgeschichte Mensch und dem Wunsch nach Fempowerment 4.0
Vor knapp sieben Millionen Jahren begann die Erfolgsgeschichte des Menschen.
Wie alles genau begann, ist Glaubensfrage und woran man glauben mag, kann jeder von uns für sich entscheiden. Ob biblisch im Garten Eden, als Gott noch übte, als sie den Mann erschuf oder ob man lieber an einen Beginn im heutigen Afrika glaubt, wie die Männer, schmächtige Wesen mit affenartigen Gesichtern, gemeinsam und vollkommen gleichberechtigt mit ihren Frauen zur Jagd loszogen um sich und die Nachkommen zu ernähren.
Ob Darwin oder doch der christliche Glaube, Fakt ist, dass wir uns seitdem stetig weiter entwickeln. Wir schreiben, fahren Auto, recyclen, werden digital und vor allem werden wir gleichberechtigt.
Der Prozess ist nicht aufzuhalten. Wenn Formate wie Edition F, der Equalpayday oder der Womansmarch entstehen, bin ich positiv optimistisch, was die Zukunft meiner Enkelinnen angeht.
Und auch wenn Teile meiner Generation, geboren Anfang/Mitte der 80er Jahre, sich zwischenzeitlich auf die alten Spießer-Werte wie Reihenhaus/drei Kinder/Hund beriefen, so sind die meisten dieser Ehen, ob gleichgeschlechtlich oder stinknormal, im besten Sinne emanzipiert und versuchen sich wenigstens mit Händen und Ringen an der Vereinbarkeit von Familie und Beruf und dem Familienbild 4.0.
Ich persönlich halte das für einen urbanen Mythos, den der KIKA-Kanal und die Brigitte erfunden haben, aber das ist ein anderes Thema und verdient einen ausführlichen Beitrag am #mamamittwoch.
Tod den Emanzen!
Und doch bin ich heute einem weiteren Mythos auf der Spur. Ein Kriminalfall besser gesagt. Denn es geht um einen Mord. Mord an der Emanzipation. Denn sie wird hier nicht beendet oder unterbrochen, sie wird gekillt. Gemeuchelt, barbarisch – Blut spritzt. Sie wird gewürgt bis ihr die Puste ausgeht.
Der Täter ist hier schnell ermittelt. Eine Mediengruppe (Name erwähne ich nicht) lädt verschiedene Unternehmen und öffentliche Institutionen zum Assistentinnen-Tag 4.0 ein. Dieser steht unter dem Motto Assistenz 4.0.
Eingeladen und angesprochen sind nur Frauen. Junge Frauen, Sekretärinnen (ich dachte das Wort benutzt Frau nicht mehr). Assistentinnen, die noch bessere werden sollen.
Stichworte wie Assistenz 4.0, Digitale Chefentlastung und eine liebevollere, sanftere, eben weibliche Ansprache sind im Einladungsschreiben zu lesen.
„Kitzeln Sie ihre Motivation…“ oder „lassen Sie sich mitreissen…“ und
„Mit Dr. XY lachen Sie sich zu mehr Kreativität und Effizienz!“
Ich kann Maren Gilzer säuseln hören. Sehe pinke Gerbera und hellrosa Seifentiere.
So soll jungen Frauen auf dem Weg in die Digitale Zukunft ihres Chefs und seinen bierbäuchigen Kollegen geholfen werden. Sie soll die perfekte Assistentin, die perfekte Puppe am Empfang werden. Die Traumfrau. Jung, dynamisch aber sich ihrer Position bewusst.
Angst und Sorgenfalten
Voller Angst und mit einer Sorgenfalte mehr auf der Stirn, lese ich diese Broschüre immer wieder und kann nicht fassen, was da geschrieben steht.
Vermute schon eine versteckte Kamera oder, dass Michael Kessler ein neues Switch-Format entwickelt hat um jetzt Sinnfluencer und Bloggerinnen wie mich aufs Kreuz zu legen um die ewigen Debatten ad absurdum zu führen.
Aber ich finde keine Fakeseite. Alles escht und wahrhaftig.
Tatsächlich handelt es sich schon um den 40ten dieser Tagungen, angeblich so gut besucht und ebenso wie unsere Menschheitsgeschichte von Erfolg gekrönt.
Wie beim Female Future Force Day von Edition F gibt es natürlich Begleitprogramm. Stil und Styling oder Entspannung. Als Tagung muss man alles bieten, was Frau so braucht und liebt. Denn Frau muss entspannt sein und lächeln. Gesund sein und vor allem ansehnlich. Google mal Assistentin! Herrlich diese Outfits.
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Und so konnte ich nicht umhin mich zu fragen, ob wir diesen massiven Rückschritt derzeit brauchen. In Zeiten von #metoo und der Frauenquote.
Wenn kleine Bloggerinnen einen #femfriday erfinden und dieser sich zu beliebtesten Blogkategorie entwickelt, damit die kleinen weißen Männer sich noch weiter ausgegrenzt und angegriffen fühlen. Um noch mehr Frauen zu vergewaltigen, sie zu unterdrücken und um sich dann in der Männersauna auf die Schultern zu klopfen?
Der Maskulismus, eine Männerrechtsbewegung, der sich schon in ersten Zügen in den Siebzigerjahren gründete, würde hier mit erhobener Faust und einem ekligen Kraftausdruck gegen Frauen zustimmend grölen.
Neandertaler
Brauchen wir die klassischen zwei Schritte vor und drei zurück?
Sollten wir Frauen langsam wieder einen Gang raus nehmen und die Männer mal wieder fragen wie sie uns haben wollen?
Würde ich hier interviewt, müsste die Redaktion jetzt schreiben: lacht.
Ein Interview wird das hier aber nicht mehr.
Mir kommt unweigerlich der Beigeschmack, dass Assistentinnen, die hier angesprochen und zu einem solchen Kongress/Selbstfindung/Orientierungsreigen/Ringelpiez eingeladen werden, bereits degradiert sind.
Und hier fühle ich mich fast persönlich angegriffen. Denn ich war mal Regie-Assistentin. Ein toller Beruf, ein Beruf mit Verantwortung, ein Beruf, den man nur mit Hingabe macht. Ein Beruf in dem man glücklich und ausgefüllt sein kann. Assistentinnen gibts ne Menge. Ne Menge, die wichtig und nicht ersetzbar sind.
Ich hatte übrigens einige männliche Kollegen in meiner Laufbahn. Aber das nur am Rande.
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Die Frauen von Stepford
Leider zeigt uns diese Hochglanzbroschüre, die noch als Faltblatt, aufwendig designt und gedruckt in den Briefkasten gesteckt wird (vielleicht ein Hinweis in welcher reraktionären Szene wir uns hier befinden, aber jetzt muss ich aufpassen, nicht polemisch zu werden.)
Eine Szene, in der Männer Frauen auch eineinhalb Jahre nach Entfachen der #metoo-Debatte noch immer sexuell besitzen und benutzen.
Der Erfinder dieser Tagung (ich nehme einfach an, es ist ein Mann) hat vermutlich zuviel Die Frauen von Stepford geschaut oder den Roman von Margaret Atwood Der Report der Magd missverstanden. Und ja, das ist eine privilegierte Sicht auf diesen gesellschaftlichen Diskurs, aber genau das ist eine der wesentlichen Erkenntnisse, die wir fast zwei Jahre nach #metoo ziehen können: Frauen werden in allen Klassen unterdrückt, auch wenn sie unterschiedlich anfällig sind.
Was brauchen wir statt dem Assistentinnentag 4.0?
Fempowerment 4.0, Solidarität 4.0, die Frauenquote 4.0, Kinderbetreuung 4.0 oder den Führungsstil 4.0?
Nicht zwingend muss alles weiblich dominiert werden. Nicht jeder Chefsessel muss weiblich besetzt sein. Nicht alle Männer in Führungspositionen sind Arschlöcher. Nicht allen alten weißen Männern ist ein #metoo-Verfahren anzuhängen. Nicht alle Frauen sind willens zu führen und zu leiten.
Aber alle Frauen sollten sich mehr Wert sein, als das Erscheinungsbild was hier propagiert wird.
EMPOWER THE WOMEN AROUND YOU!
Beitragsbild: Pixabay
Grafik: Edition F
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