Von Zuckertüten und einer Hellseherin

Um schwülstig ins Thema Muttersein einzusteigen braucht es oft nicht mehr als Floskeln wie „Das größte Glück auf Erden…“ oder „Meine Erfüllung fand ich im…“ oder bildlich ein beseelter Blick auf einen Kinderwagen und Kugelbauch.

Dass Mutter -Vater oder eben Elternsein, nicht nur bedeutet einem kleinen Wurm das Essen, Laufen und Sprechen, in unserem Fall vor allem das Schlafen bei zu bringen, dürfte einigen bekannt sein. Allgemein bekannt sind Anlässe wie Taufe, Kindergarteneingewöhnung, Ballettauftritte, Pekip oder Babyschwimmen, die beim sogenannten ersten Mal zu regelrecht wasserfallartigen Freudentränen bei Mama oder Papa führen.

Ich selbst, seit ich Mutter bin, nicht mehr fähig einen Krimi mit Kinderleiche oder einen Problemfilm mit dem Thema Leukämie schauen zu können, gehörte bei Kind Eins in die rührselige Riege. Obgleich ich den Moment der Geburt nach wie vor als weniger zauberhaft empfand, als es uns im Vorfeld geschildert wurde.

Ein verschmiertes, brüllendes Lebewesen, dass mir stinkend strampelnd auf die Brust gelegt wurde, sollte der Start in diesen so neuen Abschnitt des Lebens werden? Nun ja. Dem war so.

Denn alle, die es für richtig halten, sich ewig in die Tasche zu lügen, ein Kind verändere das eigene Leben nicht und man müsse nur daran festhalten, das Kind in sein Leben zu integrieren und nicht andersherum, belügen sich und alle anderen.

Ich halte damit nie hinterm Berg: ALLES WIRD ANDERS!
Aber versteht mich nicht falsch, denn es wird wunderbar.

Eins der für mich monumentalen ersten Male ist die Einschulung von Kind Eins. Denn die Kindergartenzeit bewahrt das Gefühl von Freiheit, Freizeit und Spielzeit. Die immer näher rückende Einschulung mutet etwas an, dass ich wieder einmal Floskelhaft den Ernst des Lebens nenne. Ernst für uns alle vier weil wir nicht mehr gemütlich bis halb acht oder auch acht im Bett rumlümmeln konnten, dass das Ende des Wochenendes mit Ranzenpacken, Hefte kontrollieren und frühschlafengehen begangen wurde. Ernst weil Spontanurlaube ab Donnerstag nicht mehr möglich sind. Ernst weil der Nachmittag nun auch mal am Schreibtisch statt im Wald verbracht wird.

Erschwerend für mich – die die Schule immer und zwar wirklich immer hasste- das Gefühl, dass mein armes Kind nun täglich dort hinmuss.

Und doch sind die Tage vor der Einschulung besonders. Man besinnt sich auf die bekannten Rituale: Zuckertüte bestellen und basteln. Klar, die brave Mutti unserer Zeit verbringt damit ganze Nachtschichten, liest Blogs, schaut Kreativ- und Basteltutorials, schneidet sich in die Finger und befragt Muddifreundinnen „Hast du die Aufkleber anschließend fixiert?“

Ich erwische mich beim blättern im Fotoalbum und stoße auf ein Grusel-Foto meiner Einschulung. Der Blick einer Hellseherin, etwas mürrisch und arrogant- ich mit sieben.

Für Kind Eins scheint es spannender zu sein als für ihre Mutter. Sie präpariert sich mit sortierten Blättern, sammelt Bücher, die sie unbedingt mal lesen möchte und hütet ihr Stiftemäppchen wie ihren Augapfel. Die Vorfreude und der Wissensdurst sind so groß und ihre Augen leuchten wenn sie von der bevorstehenden Zeit spricht.
Also konzentriere ich mich auf meine Aufgabe als Mutter, freue mich auf Freudentränen, ein rauschendes Fest, die fertige Schultüte und jede Menge Fotos mit einem zufrieden blickenden Schulkind. Vor allem aber hat meine Tochter es geschafft meinen Blick auf die Schule und auf alles damit Verbundene zu verändern. Werde ich nun gern zur Schule gehen? Werde ich vielleicht sogar gern Hausaufgaben mit ihr machen? Wer weiß.

Mit Kindern wird alles anders.

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